Nach langer Mühe ist es jetzt Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin gelungen, Paul Watzlawicks hoch geschätzte "Anleitung zum Unglücklichsein" über die Selbstvereitelung allgemeinen Lebensglücks auf die spezifischen Anforderungen eines Studiums zu übertragen: Wie kann man verhindern, dass sich bei einem Studium ein Glücksgefühl oder Bildung einstellt?
"Es war immer klar, dass das gehen muss," berichtet Prof. Dr. Lutz Prechelt, Studiendekan des Fachbereichs Mathematik und Informatik, "aber erst die besonderen Bedingungen des Online-Studiums während der Corona-Pandemie haben zum entscheidenden Durchbruch geführt, zu erkennen, wie das einleuchtend zu vermitteln ist. An sich ist es ganz einfach."Wir dokumentieren heute das vollständige Konzept:
Sondern: Studien-Misserfolg bedeutet, sich trotz erheblicher studienbezogener Aktivität und subjektiver Anstrengung (oder jedenfalls Angestrengtheit) so zu verhalten, dass folgende drei Bedingungen eintreten:
In den meisten Fällen verstärken sich die Faktoren 2 und 3 dabei gegenseitig und bewirken in der Folge gemeinsam den Faktor 1.
Ein häufiges Missverständnis betrifft den Erwerb eines akademischen Abschlusses: Dieser ist sehr wohl mit einem weitgehenden Studien-Misserfolg vereinbar.
Was also ist zu tun, um einen zufriedenstellenden Studien-Misserfolg zu erreichen?
Die Begeisterung entsteht dadurch, dass man die Schönheit des Faches empfindet, eine Faszination für seine Gedankengebäude verspürt -- und davor die nötigen Anstrengungen unternimmt, um so viele Zusammenhänge im Fach zu verstehen, dass man an diese Punkte gelangt (und dann sehr scharf auf den Kick wird, den das jeweils nächste Aha-Erlebnis verursacht).
Diese auf Zusammenhänge gerichteten Anstrengungen gilt es für einen befriedigenden Studien-Misserfolg also zu vermeiden. Das ist leicht mit Anstrengungen und Angestrengtheit zu vereinbaren, indem man sich ganz auf den Erwerb von Leistungspunkten konzentriert und dabei allenfalls ein moderates Füllen des Gefäßes als schwer vermeidbare Nebenwirkung hinnimmt. Kurz gesagt:Am verlässlichsten gelingt das durch Gewöhnung: Ist man an geringe Eigenaktivität gründlich genug gewöhnt, werden Ausrutscher hin zu mehr Aktivität im Studienbetrieb selten sein und die Verlässlichkeit des Studien-Misserfolg ist dementsprechend gut gesichert.
Doch wie gewöhnt man sich an geringe Eigenaktivität?
Das beste bekannte Verfahren ist der übermäßige Gebrauch von Unterhaltungsmedien. Ob Lesen, Hören oder Schauen: Jeder Modus funktioniert. Hochwertigen Inhalten (etwa guter Literatur oder guten Blogs) sollte man dabei eher aus dem Weg gehen: Sie sind oft anregend. Ramsch und Massenware aller Arten eignet sich hingegen gut.
Am verlässlichsten und bequemsten funktioniert Binge-Watching. YouTube und Netflix sind gewissermaßen die heiligen Hallen der Aktivitätsentwöhnung: Hier kann man Stunden seines Lebens mit einem Minimum an eigener Aktivität durchbringen. Der große Vorteil gegenüber anderen Medien: Die so erworbene Haltung lässt sich ohne nennenswerte Verluste direkt ins Studium übertragen: "Ich bin ein Rieselfeld. Ich bin einfach da und lasse mich berieseln."Neben einem Absenken der Aktivitätsbereitschaft (siehe Tipp 2) ist auch ein Absenken des allgemeinen Energieniveaus (Motivation, Konzentrationsfähigkeit etc.) hilfreich, um den Studien-Misserfolg zu sichern und ein versehentliches Abrutschen in Bildung zu vermeiden.
Das ist mit wenigen einfachen Techniken leicht zu bewerkstelligen:Sehr gut daran ist auch: Die Anwendung dieser Techniken ist nicht auf die private Zeit beschränkt; sie sind auch in den Hochschulbetrieb bestens integrierbar. Beispielsweise führt bei Lehrveranstaltungen mit Videokonferenz ein Abschalten der Kamera, kombiniert mit hartnäckigem Schweigen, zuverlässig und effizient zur Vermeidung sozialer Kontakte, die andernfalls eine hohe Gefahr von erhöhter Motivation, Aha-Erlebnissen oder anderen schädlichen Wirkungen bergen würden.
Für diejenigen Studierenden, die ihr Fach nur aus Erwägungen des Broterwerbs gewählt haben, ohne Interesse am Fach selbst, sind die obigen Hinweise in aller Regel völlig ausreichend. Eine einigermaßen ordentliche Befolgung wird recht verlässlich zum Studien-Misserfolg führen.
Für Studierende, die sich zu Studienbeginn für ihr Fach interessiert haben, ist die Lage hingegen etwas schwieriger: Interesse ist der Keim für Begeisterung, Begeisterung ist der Treiber für Bildung und Bildung ist der Feind von Studien-Misserfolg.Diese Abweichungen sind der Schlüssel. Überall, wo die intellektuellen Siege eines vollen Verständnisses für ein anspruchsvolles Thema nur schwer zu erringen sind, kann man sich mit der Abwertung des jeweiligen Themas behelfen: Thema A ist banal; Thema B ist langweilig; Thema C hat keine praktische Relevanz.
Und schon sind zwei Dinge erreicht:Wie viele Anwendungen braucht man? Das hängt von der Auswahl der Themen ab: Bei unwichtigen Themen entsteht natürlich auch nur ein schwacher Schaden für das Fach im Ganzen. Man sollte das Verfahren also tunlichst auf wichtige Kernideen des jeweiligen Faches anwenden, sozusagen auf die Kronjuwelen.
Anregungen für solche Angriffspunkte für diverse Fächer finden sich im Anhang.
Anmerkung: Da grundsätzlich jedes Studienfach hoch interessant ist, sind die meisten dieser Angriffe bei Licht betrachtet lachhaft. Sich von der Restbegeisterung für ein Fach zu befreien ist also gegebenenfalls alles andere als einfach -- hoffentlich hatte man also gleich von vornherein ein Fach gewählt, das einen nicht interessiert!Wer sich diese einfachen Methoden stündlich in Erinnerung ruft und konsequent einsetzt, braucht sich um seinen Studien-Misserfolg keine Sorgen mehr zu machen.
So leistungsfähig die oben beschriebenen Ansätze auf dem Weg zu einem Studien-Misserfolg auch sein mögen: Es ist wichtig, die folgenden zwei Störgrößen unterwegs sorgfältig auszuschließen, die andernfalls den angestrebten Studien-Misserfolg im Nu zunichte machen könnten.
Unterstützungsangeboten aus dem Weg gehen! Die ganze Palette von an der Hochschule verfügbaren Unterstützungsangeboten, von der simplen Sprechstunde engagierter Dozent_innen, über Formate der Fachschaften und anderer Initiativen, bis hin zu institutionalisierten Mentoring-Angeboten und ähnlichem birgt bei jedem einzelnen Kontakt die Gefahr, größere Taschen verborgener Motivationsressourcen freizulegen, die einen effizienten Studien-Misserfolg zumindest beeinträchtigen, wenn nicht sogar verhindern könnten.Besonders heikel sind dabei Veranstaltungen von Dozent_innen oder Tutor_innen, die gut und engagiert erklären und dabei selbst ebenfalls mit Begeisterung bei der Sache sind.
Einigermaßen verlässlich abwenden lässt sich die Gefahr nur durch das konsequente Vermeiden von Mitdenken -- deshalb sind die obigen Tipps 2 und 3 so wichtig; am besten in Kombination.Dann jedoch kann es eigentlich kaum noch klappen. Ich wünsche guten Studien-Misserfolg!