Am Ufer der Mathematik stehend
Frauen stellen in der akademischen mathematischen Community immer noch eine Minderheit dar. Aufgrund ihrer Minderheitensituation müssen sie oft einen Schritt zurücktreten und über Themen nachdenken, die ihre männlichen Kollegen lieber beiseiteschieben, um sich ihren rein wissenschaftlichen Tätigkeiten zu widmen. So können Frauen am Ufer des Flusses der Mathematik einen Moment innehalten, über die von den Schiffen verursachten Wirbel nachdenken und sich fragen, wann und wie sie auf das nächste Schiff springen können. In meinem Vortrag springen wir zunächst auf ein Boot der Unendlichkeiten.
Wie viele natürliche Zahlen gibt es? Leonhard Euler im 18. und Bernhardt Riemann im 19. Jahrhundert hatten sich bereits darangemacht, die Unendlichkeit aufzuzählen. Die berühmte Euler-Konstante und die Riemannsche Zetafunktion zeugen davon. Die Auswertung der Riemannschen Zetafunktion im Nullpunkt beantwortet die obige Frage mit -1/2, also einem negativen Bruch! Schwieriger ist die Frage, wie viele Punkte es auf einem Gitter in einem (unendlichen) Kegel gibt, denn es geht nicht mehr um Punkte auf einer Geraden, sondern in mehreren Dimensionen. Diese Frage, die aus der Geometrie kommt, führt uns zu ähnlichen Fragestellungen in der Quantenfeldtheorie, mit Feynman-Integralen, die typischerweise divergieren. Sie müssen trotzdem berechnet werden, weil Teilchenbeschleuniger mit endlichen Werten gefüttert werden müssen. Ich werde versuchen, die Beziehungen zwischen den verschiedenen Fragestellungen kurz zu beschreiben.
Im zweiten Teil des Vortrags springen wir auf ein anderes Boot, auf dem wir ganz unterschiedliche Disziplinvertreterinnen kennenlernen werden. Ich werde über zwei Projekte berichten, die Frauen in der Mathematik selbst zu Wort kommen lassen und an deren Entstehung und Umsetzung ich beteiligt war: Die Wanderausstellung „Women of Mathematics throughout Europe. A Gallery of Portraits“, die 2016 eröffnet wurde und den Film „Words of Women in the time of Corona“, der 2021 gedreht wurde.